In kaum einem anderen medizinischen Bereich spielt die Künstliche Intelligenz (KI) eine derart große Rolle wie in der bildgebenden Diagnostik. Als besonders vielversprechend gilt der Ultraschall, der durch KI leistungsstärker wird und dadurch weniger schonende Bildgebungsverfahren ergänzen oder sogar ablösen kann. Schon heute profitieren Patientinnen und Patienten von modernen Ultraschall-Geräten mit KI, beispielsweise in der Brustkrebsdiagnostik: Mittels KI-gestütztem Ultraschall können Karzinome bei Patientinnen mit einem sehr dichten Brustgewebe zuverlässiger als bisher gefunden werden. An dieser Stelle stößt auch die bewährte Mammografie an ihre Grenzen. Darüber, und welche medizinischen Bereiche in naher Zukunft durch KI und Ultraschall revolutioniert werden können, diskutieren Expertinnen und -Experten auf einer Online-Pressekonferenz am 11. Oktober 2023. Sie findet anlässlich des 46. Dreiländertreffens in Mainz statt, das von der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e.V. (DEGUM), der Österreichischen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e.V. (ÖGUM) und der Schweizerischen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (SGUM) vom 11 bis 14. Oktober ausgerichtet wird.
Der Einsatz von KI in der Ultraschalldiagnostik ist eines der Highlight-Themen des diesjährigen Dreiländertreffens, das unter dem Motto „Ultraschall im Wandel der Zeit: Digitale Transformation 4.0“ in Mainz stattfindet. Durch die Entwicklung künstlicher neuronaler Netzwerke und dem Deep Learning, erhielt der Einsatz der KI im Ultraschall und in der Bildgebung in kürzester Zeit großen Auftrieb. „Die ersten Ergebnisse und Studien sind sehr ermutigend und versprechen ein überaus großes Potenzial in zahlreichen Fachgebieten. Daraus erwächst auf der anderen Seite aber auch eine große Verantwortung in der sachgemäßen Anwendung der KI“, erklärt Privatdozent Dr. med. André Farrokh vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein und Kongresspräsident des DLT 2023. Doch bislang werden nur rund drei Prozent aller in Krankenhäusern erhobenen Daten für KI-Anwendungen genutzt. „Die Aufarbeitung und Bereitstellung qualitativ hochwertiger Daten unter Beachtung des geltenden Datenschutzes ist ein enorm wichtiger Punkt. Je mehr Daten für das Training der KI vorhanden sind, desto aussagekräftiger und präziser wird diese dann auch sein.“, so Farrokh.
Im Bereich der Mammasonografie gibt es bereits Einsatzgebiete, in denen 3D- Ultraschalldatensätze, die durch automatische Brustultraschall-Scanner erfasst werden, mittels KI analysiert werden. Sie erreichen in Studien eine ebenso hohe Genauigkeit in der Befundung von Brustultraschallbildern, wie Ultraschallexpertinnen- und experten mit mehreren Jahren Erfahrung.1 Interessant wird es auch, wenn der Ultraschall durch immer bessere Bildauflösungen und den zusätzlichen Einsatz der KI andere Bildgebungsverfahren zunehmend ergänzen oder gar ersetzen kann. Das wäre nicht nur kostengünstiger, sondern würde auch den Patientinnen und Patienten eine schonendere Diagnostik ermöglichen. Denn viele bildgebenden Methoden sind invasiv und mit einer Strahlenbelastung verbunden.
Konkret bereichert der KI-gestützte 3D-Ultraschall schon heute die Brustkrebsdiagnostik. Zwar ist die Mammografie weiterhin die beste Methode, um Brustkrebs frühzeitig zu identifizieren, doch auch diese Bildgebung stößt an ihre Grenzen. Denn: Etwa die Hälfte der Patientinnen haben eine sogenannte „dichte“ Brust. Hier sinkt die Sensitivität der Mammografie von fast 90 auf 50 Prozent und Tumore können leichter übersehen werden. „Diese Lücke könnte der KI-gestützte automatisierte Brustultraschall, eingesetzt im Rahmen eines Screening-Settings, schließen, denn der Ultraschall erkennt auch in dichtem Drüsengewebe zuverlässig Karzinome“, führt Farrokh aus. Eine Studie zeigt, dass so etwa drei zusätzliche Karzinome in 1000 Untersuchungen gefunden werden könnten, die sonst übersehen worden wären.2 „Und die KI befindet sich erst in den Kinderschuhen. Wir dürfen gespannt sein, welche Einsatzgebiete sich für die KI in den nächsten Jahren ergeben werden“, betont Farrokh.
Auch in der medizinischen Ausbildung kann die KI personell und zeitlich unterstützen. Untersuchungen zeigen, dass die KI in der Auswertung von 3D- Ultraschalldatensätzen eine höhere Genauigkeit besitzt als Ärztinnen und Ärzte am Anfang ihrer Ausbildung. Somit könnte die KI hier einerseits als Sicherheitsnetz für Medizinerinnen und Mediziner mit wenig Ultraschall-Erfahrung fungieren und andererseits im Training von jungen Ärztinnen und Ärzten ein Feedback geben.
Auf der Online-Pressekonferenz am 11. Oktober 2023 gibt PD Dr. med. André Farrokh Einblicke, in welchen Bereichen die KI heute schon aber auch in naher Zukunft die Diagnostik verbessern wird. Darüber hinaus berichten er und Professor Dr. med. Dirk-André Clevert, der in diesem Jahr ebenfalls Kongresspräsident des Dreiländertreffens ist, über die zunehmenden Erfolge der Kontrastmittelsonografie in der Krebsdiagnostik und wie der intraoperative Ultraschall das Outcome in der Tumorentfernung verbessert.
Literatur:
1Wang Y, Choi EJ, Choi Y, Zhang H, Jin GY, Ko SB. Breast Cancer Classification in Automated Breast Ultrasound Using Multiview Convolutional Neural Network with Transfer Learning. Ultrasound Med Biol. 2020 May;46(5):1119-1132. doi: 10.1016/j.ultrasmedbio.2020.01.001. Epub 2020 Feb 12. PMID: 32059918.).
2Wilczek B, Wilczek HE, Rasouliyan L, Leifland K. Adding 3D automated breast ultrasound to mammography screening in women with heterogeneously and extremely dense breasts: Report from a hospital-based, high-volume, single-center breast cancer screening program. Eur J Radiol. 2016 Sep;85(9):1554-63. doi: 10.1016/j.ejrad.2016.06.004. Epub 2016 Jun 7